Wie Aggressionsverhalten an der Leine entsteht

Vera Schmitz • 30. April 2021

Warum sind Hunde an der Leine aggressiv?

Warum sind Hunde an der Leine aggressiv?

Auch wenn früher häufig behauptet wurde, dass Hunde sich an der Leine durch den Mensch am anderen Ende stark fühlen, weiß man in der Zwischenzeit, dass das Aggressionsverhalten an der Leine ganz andere Ursachen hat.


Wer kennt es nicht:
Auf einem schmalen Weg kommt dir jemand mit einem ebenfalls angeleinten Hund entgegen. Würden sich die beiden Hunde im Freilauf begegnen, würden beide wahrscheinlich erst einmal stehen bleiben oder einen sogenannten Beschwichtigungsbogen laufen um friedlich aneinander vorbei zu kommen. Das ist jedoch durch die Leine nicht möglich. Du als Halter hast nun die Möglichkeit solche deeskalierenden Verhaltensweisen anzubieten, damit die beiden Hunde nicht direkt aufeinander zu gehen müssen, was bedrohlich für das Gegenüber erscheinen kann. Bei vielen Hunden lässt sich hier schon ein deutliches Drohfixieren feststellen. Die Hunde beobachten den anderen genau und sind nicht mehr ansprechbar. Trotz des Drohens wird von beiden jedoch die Individualdistanz weiter unterschritten – sie können ja nicht anders, weil die Leine sie daran hindert, sodass die Hunde keine andere Wahl haben, als aggressiv zu reagieren.


Was ist Aggression:
Sie dient letztendlich immer der Distanzvergrößerung. Und da ist es egal ob man eine Ressource oder Beute (z. B. Futter oder Spielzeug), den Menschen, seinen Liegeplatz oder sich selbst verteidigen möchte.


Warum entwickelt sich Aggressionsverhalten an der Leine, und welche Rolle spielt der Halter?

Irgendwann ist immer das erste Mal: Mein Hund begegnet einem anderen Hund, der ihm nicht ganz geheuer ist, er hat Angst. Hunde haben vier Möglichkeiten, mit ihrer Angst umzugehen:

· Fight (kämpfen)
die einzige Möglichkeit, die an der Leine gegeben wird
· Flight (flüchten)
geht nicht, da der Mensch am anderen Ende der Leine hängt
· Freeze (erstarren, einfrieren)

Ist auch in der Regel nicht möglich, da der Mensch den Hund ja weiter mit nimmt
· Fiddle about (rumkaspern)
Hierbei handelt es sich um das Überspielen einer schwierigen Situation. Es ist einer Situation zuträglicher, wenn Belastungen überspielt werden, anstatt aggressives Verhalten zu zeigen. Nur leider an der Leine auch nicht möglich


Warum wird Aggression als häufigste Strategie gewählt?

Hunde lernen schnell, dass ein aggressives Verhalten zum Erfolg führt. Der andere Hund kommt ja nicht zu ihm. Dass der andere Mensch gar nicht die Absicht hatte und ohnehin weiter gegangen wäre, weiß dein Hund ja nicht. Er glaubt, er hat das andere Mensch-Hund-Team in die Flucht geschlagen. (Funktioniert übrigens nach dem gleichen Prinzip im Garten hinter dem Zaun).

Fazit: Aggression bringt die gewünschte Distanz = selbstbelohnend

Der Mensch am anderen Ende der „Schnur“ ist meist nicht unwesentlich an der Sache beteiligt. Zum Beispiel weil:

Der Mensch schimpft und somit aus Hundesicht mit bellt; alles richtig denkt der sich.

Hunde tun nur das, was sich lohnt, wofür sie Aufmerksamkeit bekommen. Dabei ist einem Hund erstmal egal, ob die Aufmerksamkeit des Menschen in Form von netten Lobworten oder in Form von Beschimpfungen kommt; immer noch besser als keine Aufmerksamkeit. Der Halter belohnt unbewusst das Verhalten, wodurch es zum Ritual werden kann.

Dein Hund ist schon gestresst, du natürlich auch. Nur leider versteht dein Hund nicht, dass du schon sein unerwünschtes Verhalten vor Augen hast. Er denkt, immer wenn andere Hunde auftauchen, hat mein Mensch Stress, also versuche ich den anderen Hund von meinem Menschen fern zu halten. Ein Teufelskreis ist entstanden.


Reagiert der Mensch nun seinerseits aggressiv, indem er an der Leine ruckt, laut wird, dem Hund die Luft abschnürt, weil dieser zieht, verstärkt sich sein Verhalten noch, da er jede Hundebegegnung mit Stress verknüpft. Stress wegen dem anderen Hund und zusätzlich der Stress mit dem Sozialpartner Mensch.


Wie kann ich vermeiden, dass mein Hund zum Leinenrüpel wird?

„Wenn du an dem Verhalten deines Hundes etwas ändern möchtest, musst du etwas ändern“

Am besten bringt man bereits einem Welpen bei, dass entgegenkommende Hunde keine Gefahr sind und man auch nicht jedem Hund „Hallo“ sagen muss. Denn das würden rudelfremde Hunde in der Natur auch nicht tun!

Natürlich ist es für einen jungen, neugierigen Hund toll Kontakte zu Artgenossen zu haben, aber deshalb muss man sich nicht gleich dorthin ziehen lassen. Stattdessen kannst du gleich mit der Gegenkonditionierung beginnen (klappt auch später noch, dauert nur noch länger) und deinem Hund zeigen, dass du ebenfalls ganz interessant bist. Das geht am einfachsten mit Futter oder einem Spielzeug. Das lernt dein Hund natürlich nicht in ein paar Tagen. Aber wäre es nicht toll, wenn dein Hund einen in Sicht kommenden Artgenossen mit etwas positivem von dir verknüpft? Dadurch, dass dein Hund sich nun dir zuwendet, entschärft das gleich die Situation mit dem entgegenkommenden Hund, denn der weiß nun, dass dein Hund von ihm nichts möchte. „Hunde schauen immer in die Richtung, in die sie denken“.


Was du tun kannst, wenn dein Hund schon pöbelt

Am besten du vermeidest außerhalb von Trainingssituationen erst einmal Hundebegegnungen, indem du irgendwo deine Gassirunde läufst, wo du einen guten Überblick hast und gut ausweichen kannst. Bei einem Hund, der bereits eine Leinenaggression entwickelt hat, wird es schwierig, weil er in dieser Situation – sobald er den anderen entdeckt und dann aufmerksam und angespannt wird – nicht mehr ansprechbar ist. Den meisten Hunden könnte man jetzt mit einem Steak vor der Nase wedeln und es würde sie nicht interessieren. Klar, Bedrohung geht über Appetit.

Auf Entfernung kommt dann wieder die Gegenkonditionierung ins Spiel. Der Hund soll andere Hunde mit etwas Angenehmen - zum Beispiel Leckerli - verknüpfen.

Deshalb darf er den anderen Hund nur in einer Entfernung zu Gesicht bekommen, in der er sein Gegenüber zwar wahrnimmt, aber noch nicht mit aggressivem Verhalten reagiert. Sobald der andere Hund am Horizont erscheint, sprichst du deinen Hund an. Für sein zu dir schauen bekommt er ein Leckerli, gerne auch mit „such“ auf den Boden werfen, oder aus der Hand. Ist dein Hund ansprechbar machst du das, bis der andere Hund wieder verschwunden ist. Ist er nicht ansprechbar, drehst du dich um und nimmst deinen Hund mit in eine andere Richtung. Diese Übung sollte dein Hund aber schon kennen lernen, wenn weit und breit kein Hund in Sicht ist. Pöbelt dein Hund nun trotzdem, ignorierst du sein aggressives Verhalten und gehst souverän und kommentarlos, aber bestimmt weiter. Danach sprichst du deinen Hund wieder an und belohnst seine Aufmerksamkeit wieder mit Futter. Ein Hund behält sich immer das, was er als Letztes in einer Situation erlebt hat. Bitte bedenke, nicht jeder Hund ist verfressen. Sollte deiner es nicht sein, achte darauf, dass er an anderer Stelle nicht „einfach so“ vollgestopft wird. Nach und nach kann die Entfernung verringert werden bis dann auch ein direktes Aneinadervorbeigehen möglich ist. Dieses Procedere solltest du nun immer machen, auch wenn es nur die kleine Pipirunde sein soll…

Nicht zuletzt ist natürlich eine gute Leinenführung wichtig. Denn wer vorne geht führt und wer hinten geht folgt. Außerdem trifft derjenige der vorne geht die Entscheidungen. Nicht zu vergessen, wer führt, benötigt auch Führungsqualitäten. Diese entwickeln sich aber nicht (nur) an der Leine, dein Hund beobachtet dich all´ die Zeit, die er in deiner Nähe verbringt und hat dort unendlich viele Möglichkeiten dich zu beeinflussen. Führungsmerkmale sind:

Wer trifft wichtige Entscheidungen?

Wer beansprucht Ressourcen oder Raum?

Wer ist für die Sicherheit des Rudels und Gefahrenabwehr zuständig?

Und vor allem; wer ist souverän?


Zur Leinenführigkeit kannst du hier noch was lesen.


Werde zu dem Mensch, den dein Hund braucht, damit er sich in allen Situationen an dir orientiert.
von Vera Schmitz 6. Juli 2025
Bei den #DreamTeamDays nehme ich dich während 5-Live-Sessions mit in die Welt der Hunde. Blicke einmal tiefer hinter die Kulissen.
von Vera Schmitz 16. Februar 2025
Vom Leinen-Rambo zum entspannten Alltagsbegleiter. Nach vielen Jahren habe ich mich dazu entschieden wieder ohne Trainingsgelände für dich da zu sein. Die Veränderungen der letzen Jahre, zum einen das intensive Angebot der OnlineBegleitung für einen entspannten Alltagsbegleiter aber auch die berufliche Umorientierung von Alex haben zu dieser Entscheidung geführt. Ab 1. März 2025 sind wir hier in der Region wieder mobil für dich da. Herzliche Grüße Vera
Serotonin und die Auswirkungen
von Vera Schmitz 7. August 2023
Der Artikel ist von meiner sehr geschätzten Kollegin Valérie Pöter, die neben ihrem Hundetrainerinnendasein auch noch Tiermedizin studiert hat Hi, ich bin Valérie, Tierärztin und Hundetrainerin. In meinem Blog schreibe ich regelmäßig spannende Artikel, über Themen aus dem Hundetraining. Da ich auch Tierärztin bin, verknüpfe ich die Themen im Hundetraining mit meinem Wissen aus der Tiermedizin. Ich möchte dir kompliziertes Fachwissen kinderleicht vermitteln, damit du alle Voraussetzungen schaffst, dass dein Hund als entspannter Alltagsbegleiter gesund an deiner Seite bleibt und ein hohes Alter erreicht. Heute geht es um eine interessante Möglichkeit, wie du das Training von problematischem Verhalten bei deinem Hund unterstützen kannst. Ich möchte hierbei den Fokus auf pflanzliche Inhaltsstoffe legen, die dazu beitragen können, dass dein Hund insgesamt weniger Stressreaktionen zeigt. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass eine individuelle Betreuung durch einen renommierten Trainer oder eine Trainerin immer die Grundlage sein sollte, damit Nahrungsergänzungsmittel ihre unterstützende Wirkung entfalten können. Der Zusammenhang zwischen Stress und Hormonen: Bevor wir uns näher mit den pflanzlichen Inhaltsstoffen beschäftigen, ist es hilfreich zu verstehen, was im Körper deines Hundes während stressiger Situationen passiert. Zwei Hormone, Serotonin und Noradrenalin, spielen dabei eine wichtige Rolle. Serotonin, oft als "Glückshormon" bezeichnet, hat eine aggressionshemmende Wirkung und kann die Stressreaktionen reduzieren. Noradrenalin hingegen ist ein Gegenspieler und erfüllt im Körper verschiedene Aufgaben. Die Bedeutung von Tryptophan: Unser Ziel ist es, den Serotoningehalt im Körper des Hundes zu erhöhen, um Stress zu reduzieren. Direkt auf den Serotoninspiegel können wir durch die Ernährung nicht einwirken, aber auf seine Vorstufe, das Tryptophan. Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure, die der Körper nicht selbst produzieren kann und über die Nahrung aufgenommen werden muss. Es ist zudem ein Vorläufer für Niacin (Vitamin B3), das eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel und für die Funktion des Nervensystems spielt. Natürliche Quellen von Tryptophan: Eine ausgewogene Ernährung ist entscheidend, um sicherzustellen, dass dein Hund ausreichend Tryptophan aufnimmt. Glücklicherweise gibt es viele Lebensmittel, die reich an Tryptophan sind und deinem Hund helfen können, seinen Bedarf zu decken. Dazu gehören Geflügel wie Huhn und Truthahn, fettreiche Fischarten wie Lachs und Thunfisch, bestimmte Käsesorten wie Mozzarella und Cheddar sowie Haferflocken als gesunde Ergänzung zum Hundefutter. Optimierung der Tryptophanaufnahme: Um die Aufnahme von Tryptophan aus der Nahrung zu verbessern, sollten einige Aspekte beachtet werden. Der Proteingehalt im Futter sollte nicht zu hoch sein, um die Tryptophanaufnahme nicht negativ zu beeinflussen. Nach der Fütterung kann ruhige Bewegung dabei helfen, Tryptophan besser aufzunehmen. Eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B, beispielsweise durch Bierhefe, ist ebenfalls förderlich. Zudem ist eine gute Fettbasis im Futter wichtig, zum Beispiel durch Zugabe von Leinöl oder Lachsöl, wobei darauf geachtet werden sollte, dass der Energiegehalt der Futterration insgesamt nicht zu hoch ist, insbesondere bei Hunden in der Wachstumsphase. Tryptophan als Nahrungsergänzungsmittel: Wenn du sicherstellen möchtest, dass dein Hund ausreichend Tryptophan aufnimmt, kannst du es auch in Form eines Nahrungsergänzungsmittels geben. Es gibt verschiedene Produkte auf dem Markt, aber achte darauf, dass sie gut verträgliche Inhaltsstoffe enthalten und deinem Hund schmecken. Ein empfehlenswertes Produkt sind die "Comfort Sensitiv Tabs" von Purapep®. Diese Tabletten enthalten neben Tryptophan auch wichtige B-Vitamine und Magnesium. Sie können entweder pur oder zusammen mit einer kleinen Menge Futter gegeben werden. Weitere pflanzliche Unterstützungsmittel: Neben Tryptophan gibt es noch andere pflanzliche Inhaltsstoffe, die beruhigende Eigenschaften haben und Stress bei Hunden reduzieren können. Ein Beispiel ist Alpha-Casozepin, ein Peptid, das aus Milchproteinen gewonnen wird und in dem Produkt Zylkene® enthalten ist. Zylkene® kann in verschiedenen stressigen Situationen wie Trennungsangst, Umzügen, Reisen oder bei lauten Geräuschen eingesetzt werden. Ein weiteres pflanzliches Mittel ist Anxitane®, das auf L-Theanin basiert, einer Aminosäure, die in grünem Tee vorkommt. Anxitane® kann helfen, Stress und Angst abzubauen, ohne den Hund zu sedieren oder zu beeinträchtigen. Fazit: Die Unterstützung des Trainings von problematischem Hundeverhalten durch pflanzliche Inhaltsstoffe kann eine wertvolle Ergänzung sein, um Stressreaktionen bei Hunden zu reduzieren. Tryptophan als Vorstufe von Serotonin spielt dabei eine wichtige Rolle. Eine ausgewogene Ernährung mit Tryptophan-reichen Lebensmitteln sowie die Optimierung der Tryptophanaufnahme können helfen, den Serotoninspiegel zu erhöhen. Zusätzlich können Nahrungsergänzungsmittel wie die "Comfort Sensitiv Tabs" von Purapep®, Zylkene® oder Anxitane® eine natürliche Unterstützung bieten. Denke jedoch daran, dass eine individuelle Betreuung durch einen Trainer oder eine Trainerin immer die Grundlage für erfolgreiches Hundetraining sein sollte. Valérie’s Blog und viele weitere spannende Artikel findest du hier: https://faq-hund.de/blog/
Show More